Mein Happy Scrappy Rag Quilt

Oder ein Stückchen Welt in meinem Wohnzimmer

Rag Quilt Patchwork

Intro:

 

Seit meinem letzten Beitrag ist ja eine ganze Weile vergangen. Ich fühle mich etwas eingerostet.

Weiss nicht wie oder mit was beginnen. Nicht, dass mir die Ideen fehlen würden.. Im Gegenteil.

Ich kann mich nur nicht entscheiden, in welche Richtung mein Text gehen soll.

 

Apropos Richtung. In meinem heutigen Beitrag geht es um ein Nähprojekt, dessen Stoffe aus allen Himmelsrichtungen kommen. Naja fast. Alle, wenn man zum Beispiel nach Japan den Umweg via Westen nehmen würde.

Und auch mich zog es im Sommer in verschiedene Himmelsrichtungen. In zwei. Nämlich zuerst nordöstlich ohne Kinder nach Finnland und anschliessend dann noch mit Kinder süd-südöstlich von uns zu Hause aus gesehen ins Engadin (also in die Schweizer Alpen). Beides war auf seine Weise wunderschön und ich glaube, ich habe mich zum ersten Mal seit 10 Jahren tatsächlich erholt. Worte können es gar nicht beschreiben.

 

Nach Finnland reisten mein Mann und ich mit leichtem Gepäck. Der Plan war ursprünglich "nur mit Handgepäck!".

Klar, kann man.

Aber WILL man das auch? Will man das WIRKLICH?

Der Plan ist natürlich grandios gescheitert.

Natürlich wegen mir.

Wegen mir standen wir dann auch beim Rückflug 75min in der Check-In-Schnecken-Schlange, um meinen Koffer aufgeben zu können. 

Finnland war wundervoll! Mein Mann und ich haben uns in Helsinki ein Auto gemietet und sind gleich nordwärts gefahren. Quasi ein Mini-Roadtrip. Ich liebe die Ruhe und die vielen Wälder und mir ist einmal mehr aufgefallen, wie reizüberflutet wir in unserem dichtbesiedelten Alltag sind.  Und auch das erste Mal seit 10 Jahren nur zu Zweit ein paar Tage zu verbringen, war Gold wert. 

Wir hatten für drei Nächte in Yyteri (6km langer Sandstrand, quasi DER Badeort in Finnland) eine sehr rudimentäre Campinghütte gemietet, sind tagsüber mit Büchern am Strand gelegen und abends Konzerte von Nick Cave & The Bad Seeds, James Blunt, Aloe Blacc, Burt Bacharach und vielen mehr beim Jazzfestival in Pori genossen. Wir fühlten uns mindestens 10 Jahre jünger ;-) Einfach ich sein. Nur für mich selber verantwortlich sein. 

 

Die anschliessenden Ferientage mit den Kindern und Wohnwagen im Engadin waren aussergewöhnlich harmonisch und ebenfalls wunderschön. Es hat einfach alles gepasst und  vermutlich war es enorm hilfreich, dass ich mich bereits in Finnland erholen konnte. Wir fanden automatisch einen guten Mix zwischen Nichtstun (dann zeigte mir meine Sportuhr auch mal um 12.00 Uhr Mittags bloss 564 Schritte an..) und ausgiebigen aber dennoch gemütlichen Wanderungen. Tagsüber war es genug warm, um ab und zu erfrischende Bäder im Inn oder spontan in einem Bergsee zu geniessen. Und nachts liessen uns Temperaturen zwischen 10 und 15 Grad herrlich schlafen. Die Kinder fanden rasch Freunde auf dem Campinplatz und durften ungestört bis zur Dunkelheit umherstreifen. Und die Wanderungen waren dank Murmeltiersichtungen, farbigglitzernden Bergseen und feinen Motivations-Lunchpaketen auch sehr beliebt bei uns allen.

 

Ich war tiefenentspannt. Kein müssen-sollen-wollen, weder von aussen und vor allem auch nicht von innen. Nichts Erzwingen, und dafür ganz viele gestillte Bedürfnisse. Völlige Seelenruhe.

 

Ganz ehrlich, wir alle hätten es so gut noch eine ganze Weile ausgehalten! ;-)

Letztes Jahr im Dezember stellte Ines von Karlotta Pink uns Designnäherinnen die Frage, was wir denn gerne einmal nähen würden. Ein Wunschprojekt. Ich musste nicht lange überlegen: mich fasziniert Patchwork und Quilten schon seit Beginn meiner Nähleidenschaft, also unbedingt etwas in diese Richtung!

Die Details hingegen waren nicht so einfach zu definieren. Einerseits hängt mein Herz an einfachen, kuscheligen Quilts (Stichworte/Assoziationen: Geborgenheit, Wärme, Wohlfühlen, erdend, naiv, unkompliziert, sorglos, praktisch), andererseits bewundere ich auch wunderschöne Quiltkunstwerke, die sowohl ein durchdachtes Patchwork- als auch aufwendiges Quiltmuster haben (Stichworte/Assoziationen: Ästethik, elegant, Schmuck, Herausforderung, sich trauen, Kunst, Luxus). Beides hat definitiv seinen Reiz für mich! 

Da ich mich einfach nicht entscheiden konnte, beschloss ich im Januar zweigleisig zu starten und mir für das Jahr 2018 beide Quilts als Ziel zu setzen.

Währenddem ich beim Deko-Quilt sehr schwammig-schwimmend versuchte meinen Stil herauszufinden, wusste ich beim Kuschel-Quilt sofort, dass es ein Rag Quilt geben muss. Das wollte ich schon lange mal!

Alles weitere dazu ergab sich sehr automatisch und stimmig. Ich erstellte mir ein ungefähres Farbkonzept, rechnete mir die Quadrat- beziehungsweise die Quiltgrösse und den Stoffbedarf aus und machte einen kleinen Probe-Prototypen um das Materialverhalten zu testen. Ich bin noch selten so organisiert vorgegangen! ;-)

Prototyp hat gepasst und gelernt dabei habe ich, dass ich das Batting (also die Wattierung dazwischen) kleiner als die Stoffquadrate zuschneiden muss. Ansonsten schaut sie unverfranst zwischen den Fransen hervor. 

Im Foto oben sieht man das nicht mehr so gut, da ich das Vlies mit der Schere bereits nachträglich heruntergeschnitten hatte.

Ich habe mich für 9x13 Quadrate entschieden. Das entspricht einem für mich angenehmen Verhältnis. 

 

Für die Quadrat- und somit finale Grösse stellte ich folgende Überlegungen an:

Da wir 1. noch immer in einem 2.30x2.00m grossen Familienbett (mittlerweile allerdings ohne Kinder) schlafen und 2. ich seit wir Kinder haben meine Energie in anderes stecke als morgens das Bett zu machen, brauche ich keinen Bettüberwurf-Quilt. Die Quiltgrösse sollte einfach genug gross sein, dass ich mich damit gemütlich von Fuss bis Hals zudecken und einkuscheln kann. Ausserdem braucht es genug Nahtzugabe, damit der Quilt dann auch schön fransen kann.

 

Ich entschied mich für 18x18cm grosse Stoffquadrate, inkl. 2cm Nahtzugabe pro Seite.

Beim Vlies habe ich jeweils 14x14cm ( = Grösse Stoffquadrate - 2x NZ) zugeschnitten. Hier würde ich das nächste Mal sogar noch einen Reserve-Zentimeter kleiner schneiden, darauf komme ich später noch zurück.

 

Finale Grösse also:

Breite: 9x18cm = 162cm   - (18x2cm NZ) = 126cm 

Länge: 13x18cm = 234cm   - (26x2cm NZ) = 182cm

 

(Meine aktuelle Überprüfungs-Nachmessung ergab ~118x170cm. Ich denke das liegt daran, dass der Quilt beim Waschen noch eingegangen ist.)

Im Februar besuchte ich Ines in ihrem Karlotta Pink - Stoffe aus aller Welt Lager. Ich hatte ja bereits ein recht genaues Farbkonzept im Kopf. Der Quilt durfte unbedingt ein buntes Unikat werden und trotzdem eine Art chaotische Zufallsharmonie haben. Stoffe ab Ballen fielen weg, das wollte ich nicht, das hätte für meine Bauchgefühl einfach nicht zu meinen Rag Quilt gepasst. Aber ich durfte Ines' Restekiste durchstöbern und so sammelte ich ein bunter Haufen von kleinen und grossen, manchmal probebedruckten oder bereits vernähten Stoffresten aus Indien, Südafrika, Australien und Japan zusammen. Zu Hause ergänzte ich die Auslese noch mit eigenen Karlotta Pink-Stoffresten und fing dann bald an zuzuschneiden.

Das Zuschneiden nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Da die Stoffreste alle möglichen Formen hatten und ich möglichst viel Quadrate aus den einzelnen Stücken herausholen wollte, schnitt ich tatsächlich die allermeisten Quadrate einzeln aus.

 

Auch beim Zusammennähen der einzelnen Blöcke nahm ich mir viel Zeit und passte die Fadenfarbe jedem einzelnen Block individuell möglichst passend an.

 

Dafür reichte meine Geduld nicht mehr, um die Vliesquadrate exakt mittig zu platzieren. Ich vertraute da jeweils auf mein ganz passables Augenmass. Dies und allenfalls Ungenauigkeiten beim Zuschneiden der Stoffquadrate führten allerdings dazu, dass da und dort nun bei den Fransen auch ein Stückchen weisses Vlies hervorguckt. Deshalb würde ich beim nächsten Rag Quilt das Vlies noch etwas kleiner zuschneiden, einfach um etwas mehr Spielraum zu haben.

Bei der Rückseite muss man im Kopf haben, dass diese Farbtöne auch auf der Vorderseite sieht.

Beim Rag Quilt werden ja zuerst immer die drei Schichten (Quadrat Vorderseite +  Vliesquadrat + Quadrat Rückseite) zu einzelnen Blöcken zusammengenäht. Diese Blöcke werden dann anschliessend links auf links zusammengenäht, somit ist die Nahtzugabe aussen bzw. auf der rechten Seite sichtbar.

 

Ich habe mich hier wieder meiner Stoffresten bedient, unter anderem hatte ich noch ein relativ grosses Stück von einem indischen Blockprint-Baumwollstoff übrig. Dies kam mir gelegen, da ich die Rückseite gerne etwas strukturierter und farblich ruhiger wollte. So entstand eine Art Schachbrettmuster, gemixt mit Stoffresten in eher gedeckteren und/oder violetten Tönen.

Quilt mit Kopf
Quilt mit Kopf

Quilt und Kamera trug ich dann in den Ferien bei jeder Wanderung mit. Irgendwann hat's dann gepasst - beim Lej Languard auf 2594m über Meer! Die Kinder waren stolz vom Wandern, badeten vergnügt im See und wir hatten gemütlich Zeit. Mein Mann war in Assistenz-Laune und hielt  unter klaglosen Verrenkungen (er ist einiges Grösser als die Decke) meinen Rag Quilt -meistens - wie von Geisterhand vor die tolle Bergsee-Kulisse! :-D

Mein Rag Quilt kommt aber nicht nur in den Bergen zur Geltung - nein, er ist ein fester Bestandteil meines Sofas geworden und wird rege bekuschelt!

 

Und was mein zweites Quiltprojekt betrifft: das wollte sich so gar nicht flüssig herausbilden. Aber seitdem ich das akzeptiert hatte fing es plötzlich an sich zu entwickeln, einfach in eine etwas andere Richtung als gedacht. Nun läuft es und ich bin gespannt, ob ich es dieses Jahr noch fertig bringe ;-)

 

Ich freue mich, wiedermal mit einem Blog-Beitrag  zurück zu sein! Der Nächste kommt bestimmt ;-)

Herzliche Grüsse,

Franzisca


Alle Stoffe sind von Karlotta Pink - Stoffe aus aller Welt (auch in der Schweiz zu finden hier).

Die Stoffe habe ich teils selber gekauft, teils wurden sie mir zur freien Verfügung gestellt.


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Kommentare: 6
  • #1

    Frau Rösi (Dienstag, 11 September 2018 19:52)

    Liebe Franzisca
    die Decke ist der Hit! Und die Bergfotos dazu ebenfalls!
    Dann wünsch ich viel Kuschelzeit.
    Herzliche Grüsse Simone

  • #2

    Blausternchen (Dienstag, 11 September 2018 20:30)

    Ein zauberhafter Rag Quilt, sehr gelungen.

    LG inge

  • #3

    Karin (Sonntag, 16 September 2018 07:51)

    Hallo Franzisca!
    Dein Quilt ist ja traumhaft schön geworden. Tolle Farben und dann noch der herrliche Hintergrund bei den Fotos. Sehr schön!!!
    So einen Rag-Quilt will ich auch unbedingt einmal nähen, aber noch habe ich zuviele andere Baustellen :-)
    Alles Liebe
    Karin

  • #4

    Tüdelband (Freitag, 21 September 2018 20:20)

    Der Quillt ist wunderschön, die Fotos einfach großartig und auch was du schreibst gefällt mir. Dankeschön

  • #5

    Franzisca (Montag, 24 September 2018 08:40)

    Liebe Frau Rösi, Blausternchen, Karin und Tüdelband

    Herzlichen Dank für eure lieben Kommentare, ich freue mich sehr darüber!
    Ja das mit den (zuviele) anderen Baustellen kenne ich auch zu gut...! ;-)

    Liebe Grüsse,
    Franzisca

  • #6

    Esti (Dienstag, 02 Oktober 2018 15:44)

    wow, dein Rag Quilt sieht wunderschöön und farbenfroh aus. Schon lange möchte ich auch einmal so ein Quilt nähen. Ich finde die ausgefransten Ränder so schön. Danke für die hilfreichen Tipps wegen dem Batting ;o)

    Liebe Grüsse
    Esti