Fast Fashion -  ich brems' dann mal!

Oder die "365 Tage ohne" Challenge...

 

Seit ich nun auch vermehrt Kleidungsstücke selber nähe, staune ich immer wieder wie billig man heute Kleider kaufen kann. Während ich mich früher über meine Kleiderschnäppchen freute, kam innerhalb des vergangenen Jahres immer mehr ein irgendwie ungutes Gefühl beim Kleiderkauf auf. Anfangs verdrängte ich dieses dumpfe Gefühl, aber irgendwann war es zu offensichtlich: ein Damenshirt für 12.- CHF? Hosen für 19.- CHF? Hmmm..

 

Ich zahle für 1m Jersey zwischen 20.- und 30.- CHF, für Baumwolle zwischen 16.- und 25.- CHF (in Euro etwa 18.- bis 28.- resp. 14.- bis 23.-). Für ein einfaches T-Shirt mit 3/4 Ärmeln brauche ich in Grösse 42 für mich gut 1.20m Jersey-Stoff. Plus Verbrauchsmaterial (hier einfach nur Faden) komme ich da durchschnittlich auf etwa 32.- CHF. So, da ist aber noch keine Arbeit drin. Der Stoff muss noch nach Schnittmuster zugeschnitten und dann zusammengenäht werden, ein halbwegs akzeptabler Stundenlohn (ungelernte Näherin) würde den Kaufwert meines Shirts auf etwa 50.- Franken steigen lassen.

 

Und dann sieht man in der Stadt eben ein Damenshirt für 12.- Franken, wenn möglich noch zusätzlich mit 50% Sommerschlussverkaufsrabatt (Anfangs Juni!). Da kommt man einfach nicht darum herum, sich mal ein wenig mit der grossen Thematik der Textilienherstellung auseinanderzusetzen.

 

 

Es ist mir natürlich bewusst, dass ich als Endkunde nicht die gleichen Einkaufskonditionen wie grosse Ladenketten/Textilfirmen habe. Dennoch, selbst bei 12.- Franken pro Shirt verdient das Geschäft offensichtlich noch genug daran, dass es sich rentiert. Währenddem irgendwo in Bangladesh Frauen, Männer und oft auch Kinder unter widrigsten und menschenrechtsverstossenden Umständen an unserer Kleidung nähen, Giftstoffen ausgesetzt sind, praktisch keinen Lohn bekommen, bei einstürzenden Fabriken ums Leben kommen und schlicht dem Goodwill der Produzenten ausgesetzt sind.

 

Die Situation ist komplex und ebenso wäre eine Lösung dazu. Es wäre zu einfach, nur die Arme zu verschränken und den Produzenten die Schuld zuzuschieben. Genauso sinnlos wenn nicht sogar schädlich wäre die (utopische) Idee, dass wir alle keine Kleidung mehr aus solchen Ländern kaufen. Leider garantiert auch ein höherer Kaufpreis oder eine namhafte Kleidermarke nicht automatisch, dass das Kleidungsstück besser hergestellt worden ist. Oftmals werden diese sogar in der gleichen Fabrik hergestellt, wie die der Billigketten.

 

Es gibt aber immer mehr Unternehmen, die in Bangladesh fair produzieren (die haben dann z.B. ein GOTS-Siegel, welches ein gewisser Standard im biologischen Anbau sowie umwelttechnische Anforderungen in der gesamten Produktionskette und Solzialkriterien definiert, Quelle Wikipedia).

 

 

 

Die Ausbeutung der Näherinnen und Näher ist allerdings nur ein Teil der Problematik. Hier kommt eben nun der Begriff Fast Fashion ins Spiel: Schnelle und billige Kleidung. Freitagabend ein Date und nichts passendes im Schrank? Kein Problem, bei der nächsten Ladenkette schnell nochmal ein neues Outfit mit passenden Accessoires gekauft. Man kann sich im Laden nicht für eine Farbe entscheiden? Kein Problem, kauft man halt beide. Keine Zeit zum alles anprobieren? Kein Problem, mache ich zu Hause und sonst waren halt 5 Franken für den Müll. Bei diesen Dumpingkleiderpreisen könnte man es sich als Ottonormalverdiener wohl leisten, die komplette Garderobe ein-, zwei-, vielleicht sogar dreimal im Jahr auszutauschen! Man kauft und weil es billig ist überlegt man es sich nicht zweimal. Fast Fashion halt. Man kauft, wirft weg, kauft neues. Für das gute Gewissen spendet man die Kleider der Kleidersammlung, in der Meinung, damit uneingeschränkt Gutes zu tun... Ich möchte an dieser Stelle Kleiderspenden ganz und gar nicht verurteilen. Und trotzdem muss man sich einfach bewusst sein, dass z.B. Haiti's lokaler einheimischer Textilmarkt durch tonnenweise Kleiderspenden praktisch komplett zerstört worden ist (Quelle Dokumentarfilm "The true cost"). Eine ähnliche Situation findet man auch in Kenia, wo jährlich etwa 100'000 Tonnen (!) Altkleider, gebrauchte Schuhe und Accessoires importiert werden (Quelle https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/basarhaendler-statt-buerohengst).

 

 

Weitere Folgen der riesigen Massenproduktionen: Monokulturen, Pestizide beim Anbau, die Menge der Chemie bei der Verarbeitung der immer mehr Textilien, Abfallberge usw.

 

Trotz vollem Kleiderschrank Kleidung zu kaufen und das Gewissen durch Kleiderspenden zu beruhigen, funktioniert also auch nicht.

 

 

Was kann ICH also tun? Ich habe einerseits beschlossen, dass ich für meine Familie viel bewusster Kleidung kaufen möchte. Wird wirklich neue Kleidung gebraucht? Lässt sich das Kleidungsstück flicken oder upcyclen? Wo bekomme ich Kleidung her, die - gemäss meinen Recherchemöglichkeiten - fair und biologisch produziert worden ist?

Für mich persönlich habe ich aber noch etwas anderes gefunden: die Challenge "365 Tage ohne". Da geht es ganz einfach darum, 365 Tage lang kein Kleidungsstück zu kaufen. Wenn ich trotzdem etwas brauche, möchte ich es selber nähen. Ich möchte einfach auf meine Konsumbremse stehen. Ausnahmen gibt es bei Schuhen, Strümpfen und BH's. Und natürlich bei Stoffen. Wenn man kaufen muss, dann nachhaltig und fair. Diese Challenge hat Kristin Kahmeier von Piexsu ins Leben gerufen, inspiriert wurde sie wiederum durch einen Blogeintrag von Leipzigmama.

 

Kristin erklärt in diesem Youtube-Video genauer worum es geht. Und falls ihr auch mitmachen möchtet, findet ihr hier in dieser Facebook-Gruppe Tipps und Unterstützung. Meinen Startschuss lege ich rückwirkend auf 1. Juni 2016. Ich werde in möglichst regelmässigen Abständen hier über meine Erlebnisse berichten. Ich bin gespannt auf den Austausch und vor allem wie es mir dabei gehen wird!!

 

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